Thema: Gleichstellung ist nicht alles! von Sandra Beyer Mo März 21, 2011 11:21 pm
Gleichstellung ist nicht alles! - Punkte zur Programmdebatte zum Thema Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit von Sandra Beyer - geschrieben für die LISA Tagung "Anforderungen an ein feministisches Parteiprogramm" März 2011 in Berlin
Ziel der Arbeitsgruppe: Um über Gleichstellung im Programm der Partei sprechen zu können, müssen wir für uns definieren, was wir unter Gleichstellung und unter Geschlechtergerechtigkeit verstehen. 1. Gleichstellung ist die nachholende bürgerliche-liberale Revolution. Die Forderung der Französischen Revolution nach gleicher gesellschaftlicher Teilhabe muss für alle durchgesetzt werden. 2. Die bedeutet die gesetzliche Gleichstellung aller, nicht nur aufgrund des Geschlechtes, sondern auch der Klasse, des Alters, der ethnischen und kulturellen Zugehörigkeit, aufgrund der sexuellen Präferenzen u.ä. Das bedeutet, Gleichstellung ist kein reines Frauenthema. 3. Die Einforderung nach formaler Gleichstellung muss Teil unseres Verständnisses des Demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts sein. Gleichstellung ist eine formale Voraussetzung sozialistisch-demokratischer Entwicklung, nicht deren Ziel. 4. Die Forderungen nach Gleichstellung muss die Machtfrage neu stellen: wer gewehrt wem unter welchen Umständen welche Rechte? 5. Das politische und damit handelnde Subjekt muss benannt werden. Denn nur wenn die gleichzustellenden Menschen für sich selbst ihre Rechte einfordern und die Macht bekommen, diese selbst durchzusetzen, erreichen wir wahre Emanzipation. 6. Im Programmentwurf sind Männer das ungenannt Vorausgesetzte und Frauen durch ihre Nennung das Besondere, Markierte. Das ist herablassend und paternalistisch, da Frauen Rechte generös gewehrt werden. 7. Eine Analyse des neoliberalen Kapitalismus muss eine Analyse der Geschlechterverhältnisse beinhalten. Denn Produktionsverhältnisse sind Geschlechterverhältnisse, weil jede Beziehung geschlechtlich gedacht wird. Und Geschlechterverhältnisse sind Produktionsverhältnisse, da durch die Verteilung und die Definition von (guter) Arbeit Hierarchien zwischen den Geschlechtern aufgebaut und gefestigt werden. Wenn wir Geschlecht – und das sind nicht nur der Mann und die Frau – als politisches Analysekriterium begreifen, gehen wir über die wirtschaftliche Frage hinaus. Im Programmentwurf fehlt die Konstruktion von Geschlecht und damit die Machtverhältnisse, die dadurch gefestigt werden. 8. Betrachtungen zu Fragen nach körperlicher Geschlechtlichkeit fehlen komplett. Die Konstruktion von Geschlecht ist patriarchal, und diese dürfen wir nicht fortschreiben. Jeder Mensch muss selbstbestimmt über sich verfügen dürfen. 9. Fragen nach den Zusammenhängen von Kapitalismus und Gewalt und Krieg, Kapitalismus und Familienkonstruktionen u.a. können wir nur mit einer feministischen Herrschaftsanalyse von Geschlecht beantworten. 10. Im Programmentwurf fehlt eine grundsätzliche Patriarchatsanalyse: Formale liberale Gleichstellung festigt das Patriarchat.
Text: Programmentwurf passim, vor allem Präambel und Kapitel S. 17f zur Geschlechtergerechtigkeit
Bibliographie: Feministisches Manifest (LISA, 2008) Präambelvorschlag von Frigga Haug und Kritik von Christiane Reymann „Anforderungen an ein linkes Programm, das auch feministisch ist“ (Christel Buchinger)
Ziel: Was verstehen wir unter Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit? Reichen uns die Forderungen im Programmentwurf? Was muss am Entwurf geändert werden, um unsere Vorstellungen und Forderungen wiederzufinden? Reicht Einfügungen und die Umschreibung des Kapitels zu Geschlechtergerechtigkeit oder müssen wir etwas Neues, Eigenes schreiben? In dieser Arbeitsgruppe werden wir uns dem Programmentwurf direkt zuwenden und unsere eigenen Forderungen formulieren. (Umschreibung des Kapitels zur Gleichstellung, Änderung der Präambel, andere Teile?), ggf. Erarbeitung von Änderungsanträgen Methode: Textarbeit am Kapitel S.17f (in Gruppen)
Elisabeth
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Thema: Diskussion notwendig zum Thema Straßenstrich Sa Apr 02, 2011 4:28 pm
Liebe Frauen, ich hoffe, dass Bettina Antwort bekommt. Es geht mir ähnlich wie ihr, mir fehlt ein endgültiger Zugang zum Thema
Elisabeth
Liebe Elke, zu Deiner Information schicke ich Dir meinen Kommentar zu der PM der Dortmunder Linken siehe weiter unten zu dem Thema Straßenstrich im Dortmunder Norden. Ich bin mit der PM überhaupt nicht zufrieden und vermisse dazu auch eine grundlegende Diskussion in der Linken: Was bedeutet die Legalisierung der Prostitution durch Rot-Grün im Jahr 2002 eigentlich aus der Sicht der linken Feministinnen in unserer Partei? Hat dieses Gesetz Verbesserungen oder Verschlechterungen für die Emanzipation der Frauen gebracht?
-------- Original-Nachricht -------- Datum: Fri, 01 Apr 2011 10:14:25 +0200 Von: begoebel@gmx.de An: fraktion@dielinke-dortmund.de Betreff: PM der Ratfraktion von Utz vom 24.11.2011
Es schreibt: Bettina Goebel Bochum Mitglied der Linken in Bochum
Betrifft: Pressemitteilung der Ratsfraktion der Linken Dortmund vom 24. März 2011 Utz Kowalewski
„Prostitution verschwindet nicht per Ratsbeschluss!“ Liebe Genossinnen und Genossen,
Prostitution verschwindet aber auch nicht, wenn Initiativen wie Kober den Prostituierten Anleitung zur Professionalisierung ihrer Selbstausbeutung und Selbstzerstörung gibt; auch wenn Kober ein Programm zum Ausstieg für Ausstiegswillige bereit hält. Faktisch hilft Kober diesen Frauen sich in der Prostitution einzurichten. Das Angebot wird so für die Freier aufrecht erhalten auf verbessertem Niveau.
Wenn ich mir das Foto ansehe, welches die PM begleitet und das Plakat "Besser Prostitution als Hartz4", dann kann ich als Frau und ALG-2-Bezieherin über soviel Dummheit dieser Frauen nur den Kopf schütteln. Es ist auch eine Verhöhnung der Frauen und aller ALG-2-Bezieherinnen und -Bezieher, die sich nicht prostituieren, sondern sich politisch in unserer Partei oder in Initiativen gegen Sozialabbau, Leiharbeit etc. engagieren. Da haben die Frauen vom Straßenstrich wohl noch eine Gesellschaftsgruppe auf die sie herabblicken können?
In Eurer PM heißt es: Keinen Hehl machte der Fraktionsvorsitzende daraus, dass LINKE keine Freunde der Prostitution seien. „Für uns ist es eine sehr bittere Realität, dass sich Frauen in unserer Stadt gezwungen sehen, durch Sex gegen Geld Ihr Dasein zu finanzieren. Aber – und das gilt besonders für Frauen: Gut bezahlte, sichere Arbeit ist selten geworden, nicht nur in Dortmund."
Diese Aussage unterstützt noch einmal den Charakter der scheinbaren "Alternativlosigkeit" von Prostitution. Dann müssen sich Frauen eben prostituieren. Fehlt nur noch, daß ihnen von FDP oder CDU beigesprungen wird, indem sie als leuchtende Beispiele für Eigeninitiative, "ich-AG" und Kleinstunternehmerinnentum gelobt werden.
Diese Frauen sind keine "revolutionären Subjekte", sie sind nicht einmal politische Subjekte, und es gibt keine wirtschaftliche oder finanzielle Notwendigkeit seinen Körper zu verkaufen. Die Gründe für die Prostitution dürften lebensgeschichtlich bei diesen Frauen auch in erster Linie darin liegen, daß sie überhaupt kein Selbstwertgefühl besitzen, daß sie sicherlich auch, siehe die Berichte bei KOBER, dem kapitalistischen Fetisch des "schnellen Geldmachens" auf den Leim gehen.
Tatsache ist, daß durch Rot-Grün 2002 die Käuflichkeit von Frauenkörpern zur Normalität erhoben wurde. Daran ist aber gar nichts normal. Das ist frauenverachtend. Dagegen hätte sich Eure PM richten müssen.
Ich persönlich habe nicht das geringste Verständnis für Prostituierte und Freier. Ich würde sie niemals politisch unterstützen, und deswegen finde ich Eure PM auch höchst fragwürdig. Man sollte diese Frauen auffordern die Prostitution zu verlassen und den Freiern deutlich sagen, daß niemand das Recht hat den Körper von Menschen für den zeitweiligen sexuellen Gebrauch zu mieten.
Prostitution auch und gerade, wenn sie ohne Zuhälter von Frauen betrieben wird, ist nichts anderes als die Somatisierung, die Integration von kapitalistischen Verwertungsansprüchen an die Menschen, wie sie in der Leiharbeitsbranche für den gesamten Arbeitsmarkt vorangetrieben wird. Ich bin für ein Verbot der Leiharbeit und eine Verankerung dieses Verbotes in unserer Verfassung. (So übrigens geschehen in dem "Dritte-Welt-Land" Namibia mit dem New Labour Gesetz am 1. März 2009 in Kraft getreten.) Niemand hat das Recht andere Menschen gegen Geld zu vermieten.
Genauso hat niemand das Recht Frauen gegen Geld für Sex zu mieten. Schweden hat vorgegeben, wie man da verfahren kann ohne die Prostituierten zu verfolgen.
Prostitution ist Frauenverachtung und ein Verstoß gegen das Prinzip Menschenwürde. Das sollte die Linke und gerade auch die feministisch-sozialistisch engagierten Frauen in der Linken zum Ausdruck bringen.
Mit besten Grüßen Bettina
Tina Multhaupt
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Thema: Straßenstrich et al Fr Mai 06, 2011 2:00 pm
Liebe Bettina und alle, die mitlesen und - schreiben,
interessante links zum Thema Prostitution bieten sich bei www.hydra-berlin.de, Madonna e.V., Bochum sowie diversen Hurenbewegungen.
Die dort organisierten Frauen sind neben ihrer beruflichen Tätigkeit (ehrenamtlich) sehr wohl politisch und haben durch ihre Arbeit in den 80 und 90er Jahren vieles zum Positiven verändert.
Herzliche Grüße
Martina Multhaupt, Bochum
Tina Multhaupt
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Thema: Straßenstrich/Prostitution Sa Mai 07, 2011 3:35 pm
Ein herzliches Hallo an alle,
wir sollten das Thema Prostitution nicht ausschließlich aus Marx´scher Sicht betrachten, sondern uns auch mit Durkheimer und anderen, zeitgenössischen Philosophen auseinander setzen.
Insbesondere jedoch mit den Frauen und Männern, die diesen Beruf wählten, ihm nachgehen und politisch aktiv sind.
Das sind nicht wenige, und eine große Anzahl ist in den diversen Vereinen wie Hydra, Kober, Nitribitt, HWG usw. aktiv.
In den 90er Jahren gingen geschätzte 350.000 Menschen, Männer und Frauen, der Prostitution nach, die ein Wirtschaftsvolumen von ebenfalls geschätzten 150 Mio. DM pro Monat (!) erwirtschafteten. Macht im Jahr ... 1,8 Mrd. DM.
Der Hurenbewegung ist zu verdanken, dass Prostituierte erstmals in gesetzliche Krankenversicherungen aufgenommen werden konnten unter ihrer korrekten Berufsbezeichnung "Prostituierte/R", "Sexarbeiter/In". Das war vor der Gesetzesnovellierung unter Rot-Grün nicht möglich.
Viele Sexarbeiter/innen lebten in ständiger Angst, nicht krankenversichert zu sein trotz Zahlung regelmäßiger überhöhter Beiträge an private Versicherungen, denn die Angabe eines Berufes, der nicht ausgeübt wurde, ist bis heute Betrug und somit nicht versichert.
Eine Katastrophe, wer auf einer Bordellhaustreppe ausrutschte und sich ein Bein brach; eine Katastrophe, wer auf dem Straßenstrich vergewaltigt und brutal zusammen geschlagen wurde, denn- die Versicherung zahlte nicht.
Ebenso wurde der Beruf entkriminalisiert; bereits 1993 fiel die erkennungsdienstliche Erfassung unbescholtener StaatsbürgerInnen weg.
Wir linke Frauen müssen lernen zu verstehen, warum die Hurenbewegung entstand, was sie bewirkte und warum Prostitution eine freiberufliche Tätigkeit ist.
Seit 2001 können Prostituierte beiderlei Geschlechts ein Gewerbe anmelden, können berufsbedingte Ausgaben steuerlich absetzen. Das war bis dahin nicht möglich.
Prostitution ist ein freier Beruf und durch die Hurenbewegung vom halbseidenen, kriminellen Stigma befreit.
Menschenhandel, Menschenraub, Sklaverei erfüllen den Tatbestand mehrerer Straftaten und haben mit Prostitution so viel zu tun wie Schwarzarbeit, Dumpinglöhne und eben... Menschenhandel.
Unsere Postition sollte die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken statt sie verhindern zu wollen. Ein Verbot der Prostitution führt, wie historisch zu betrachten ist, lediglich dazu, dass sie im "stillen Kämmerlein" weiterhin ausgeübt wird.
Mit erheblicher Gefährdung der Frauen und Männer, die ihr nachgehen. Auch Sexarbeiter werden vergewaltigt, beraubt, wie Sklaven in privaten Bordellen gehalten. Das trifft nicht nur auf Frauen zu.
"Wer Vergewaltigung, schweren Raub, Raub und Körperverletzungen nicht anzeigen kann, ohne sich selbst zu belasten, bietet dem Täter Narrenfreiheit zur Gewalttat."
Das wollen wir ganz bestimmt nicht.
Hier noch ein sehr empfehlenrswerter link der ältesten Hurenbewegung in Deutschland, Hydra-Berlin eV. seit 1979.