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 DIE LINKE. ist nicht die Linke

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christiane




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BeitragThema: DIE LINKE. ist nicht die Linke   DIE LINKE. ist nicht die Linke Icon_minitimeMo Okt 08, 2007 12:48 am

Für das Frauenplenum habe ich auf dem Gründungsparteitag der LINKEN einen diskussionsbeitrag gehalten. ich denke, unsere Erffahrung von und mit den Frauenplenen kann uns in der Vorbereitung der Esslinger Konferenz nützen. Deshalb stelle ich sie hier noch einmal ein.

Christiane


Christiane Reymann

Die LINKE. ist nicht die Linke
Diskussionsbeitrag für das Frauenplenum auf dem Gründungsparteitag der LINKEN


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste,

endlich gründen wir sie heute, die neue Partei; wir Frauen sind froh, dass die Partei uns nachfolgt. Seit sie sich am Horizont abzeichnete, haben wir Feministinnen aus Parteien und Bewegungen uns in den Frauenplenen verständigt, unsere Kritiken und Vorschläge ausgearbeitet. Wir Feministinnen haben viel für diese neue Partei getan. Ich möchte Euch einige Erfahrungen aus den Frauenplenen vermitteln.

Die erste ist: Die LINKE ist nicht die Linke. In anderen Worten: Die LINKE in Großbuchstaben und Punkt ist nicht die Linke als Bewegung und geistige Strömung. Wir sind nur ein Teil.

Überall in Europa ist der Neugruppierungsprozess der Linken nach dem Zusammenbruch des Sozialismus noch nicht abgeschlossen, nicht in Italien, nicht in Spanien, nicht in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Dramatisch erleben wir das in Frankreich. So, wie wir den Erfolg des Non als große Ermutigung für uns erlebt haben, genauso erleben wir die Krise der französischen Linken jetzt als unseren eigenen Schmerz und als Herausforderung, viel radikaler über gesellschaftliche Tiefenströmungen nachzudenken.

Auch wir, die wir heute die LINKE in Großbuchstaben und mit Punkt gegründet haben, sind nicht das Ende, wir sind eine Etappe auf dem Weg zu einer Kraft, die die Gesellschaft verändern kann. Heute, am Tag unserer Parteigründung, sollten wir zuallererst alle Fenstern und Türen weit öffnen. Nicht nur, damit viele Menschen zu uns kommen können – das ist wichtig und freier Eintritt ist immer gut –, vor allem aber, damit wir hinausgehen zu all den anderen Linken.

Unsere zweite Erfahrung: Die LINKE versteht sich nicht als Weltanschauungspartei. Unsere Erfahrung als Feministinnen aber ist: Wir müssen die Welt präzise, analytisch scharf und furchtlos anschauen. Manches, was wir dann sehen, wird uns erschrecken. Nicht nur die Umweltkatastrophe oder Hunger und Krieg , sondern auch die Verwüstungen in den Seelen, Normen, Werten der Menschen und in der Organisation der Gesellschaften.

Und wir werden entdecken, dass die Welt aus dem Blickwinkel einer Frau sehr anders aussieht, als aus der Perspektive eines Mannes. Wir werden sehen: Das Patriarchat lebt immer noch – und vielleicht schlimmer als je zuvor. Es bringt sich auf den Begriff in Kriegen. Es bringt sich auf den Begriff im Verständnis von Macht im Sinn von Herrschaft – etwa Herrschaft über die Natur, Herrschaft über andere Ethnien, Herrschaft über Rohstoffquellen etc.

Unsere dritte Erfahrung: In der Partei sind wir oft nicht gut zu uns. Wir erleiden Endlos-Sitzungen, die zu wenige konkrete Ergebnisse bringen. Wir erleiden Belehrungen statt Gesprächen, Konkurrenzen, Profilierungssucht, Gockelgehabe, Hahnenkämpfe. Die meisten Sitzungen absolvieren wir aus Pflichtgefühl und nicht, weil sie uns erheitern oder erhellen. Das ist für beide Geschlechter, für Männer und Frauen, eine Qual. Mit einem Unterschied: Frauen gehen eher. Nicht zuletzt deshalb haben wir in Westen nur 20 Prozent Frauen.

Unsere vierte Erfahrung: Menschen, die sich auf die LINKE in Groß- und Kleinbuchstaben einlassen, sind zuallererst wütend. Wütend auf eine Welt, die sich selbst zerstört. Wütend auf Verhältnisse, die Menschen klein machen. Sie empfinden Liebe zur Natur und Liebe zu den Menschen. Sie wollen nicht einsam sein, sondern gemeinsam. Und sie sind ein bisschen verrückt, sie trotzen dem Zeitgeist.

In der Öffentlichkeit erscheint Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zurzeit als Vorkämpferin für das Recht der Frauen auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich finde: Das hat sie und das haben wir Linken nicht verdient!

Seit August Bebel und Clara Zetkin kämpfen wir für das Recht der Frauen auf eine eigenständige Existenz. Nicht nur für ihr Recht auf ihre materielle Existenzsicherung. Sondern für ihr Recht auf ein eigenes Leben, ihr Glück, ihre Wonne, ihre freie Sexualität und Lust. Doch ausgerechnet jetzt sind wir dabei, die Meinungsführerschaft zu diesem unseren ureigenen Thema zu verlieren. Ich möchte, dass wir hier wieder um Hegemonie kämpfen.

Brigitte, stern, Zeit, Spiegel, Vorwärts – sie alle beschäftigen sich in den letzten Monaten in Titelthemen mit der Frage: Brauchen wir einen neuen Feminismus Die Antwort ist übrigens: Ja. Während sich ein neuer Aufschwung feministischer Debatten anbahnt, rücken wir verschämt oder offen vom Feminismus ab. Dabei ist doch gerade jetzt unsere Zeit gekommen als sozialistische Feministinnen oder feministische Sozialistinnen.

Diese Zögerlichkeit in der Linken ist bitter für uns linke Frauen. Zu lange haben wir für diese Inhalte gekämpft, um nun zwei Schritte zurück zu gehen.

Ich wünsche uns also Wut, Visionen, Liebe, etwas Verrücktheit – und den Pragmatismus, den wir brauchen, um zu sehen, was wir mit wem und wie jetzt erreichen können.
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