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 Klimaerwärmung - Glosse zum Porno auf der clara-Rückseite

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sigrid asamoah




Anzahl der Beiträge : 1
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BeitragThema: Klimaerwärmung - Glosse zum Porno auf der clara-Rückseite   Klimaerwärmung - Glosse zum Porno auf der clara-Rückseite Icon_minitimeMi Jan 02, 2008 5:23 pm

Aus den Feiertagen endlich was geliefert! Smile

So richtige "Nachrichten aus dem Patriarchat" hätten erschöpfender (im Doppelsinn) recherchiert sein und entrüstet, geharnischt usw. klingen sollen, aber Marion Heinrich hat so eine gute Steilvorlage geliefert mit ihrer Antwort... Und bloße Verurteilungen machen doch auch keinen Spaß und lösen wiederum Beschwichtigung, Milderung und die typischen Empirismen aus. Daher etwas Langes (>12.000) angeregt von Friggas "Lernverhältnissen" über das viel spaßigere Weitertreiben von Phrasen, Tugenden durch Parodie usw. Ob's dafür allerdings vom PV Knete gibt? Wäre ein Zeichen von Souveränität. Wenn ihrs nehmt, freuts mich, aber einleitenden Text nur nach Rücksprache. Absätze müssten noch rein und ein Bild gäbs auch schon: 2/3 linke Backpage der letzten ´Clara'.

Basketball

Klimaerwärmung

Gemeinsames Nachdenken über ein Nacktfoto und die Lust der Vernunft


Die große Dünne und der kleine Dicke landen am selben Tisch in der recht gut geführten Cafeteria des örtlichen Arbeitsamts.*
Ein buntes Heft liegt auf dem Tisch, zwischen den nun getrockneten Ringen von abgestellten Kaffeetassen. Hat es wer mit Absicht dort liegen lassen? Vierfarbdruck, keine Reklame, keine Bilder mit Möbeln oder Computerzubehör. Wer hier offen Politpropaganda macht, kann schnell mit den Jungs von der Security Ärger bekommen, und hier handelt es sich um welche. Karikierte Konterfeis von Angela und Kurt Beck, gut getroffen, vorne drauf. Die Dünne schiebt ihr Plastiktablett zur Seite, während der Dicke umständlich die Arme aus seiner engsitzenden Jacke freifuchtelt und diese mit Geächz über die Lehne seines Stuhls zu hängen versucht, von wo sie herunterfällt. Sie greift „Darf ich?“ nach dem Blättchen und entziffert, während der Dicke lächelnd mit den Schultern zuckt: „Clara, das Magazin der Fraktion die Linke im deutschen Bundestag’“. Der Dicke nimmt einen kräftigen Schluck Kaffee, seufzt wohlig, fragt, gleichfalls einem small talk nicht abgeneigt „Clara? Mit großem C?“ „Muss wohl Clara Zetkin mit gemeint sein“, so kundig die Dünne, die nun aussieht als ob sie selber so ne Linke wär, obwohl sie schon über 40 sein muss. „Die war Chefin der alten KPD-Fraktion im Reichstag, bevor die Nazis die KPDler in die KZs gesteckt haben.“ „Stimmt, die andre heißt ja Sara oder so... Petra Pau, es gibt eben nicht nur Frauen in der CDU, nä?“ Noch ein Kaffeeschluck, Angeln nach der Winterjacke, selbst in der Cafeteria ziehts. „Frieren Sie denn gar nicht? Schlank wie Sie sind?“ kleiner Flirtversuch, denn die Dünne ist nicht herablassend, wie Frauen oft zu kleinwüchsigen Männern. „Doch, aber“ – er wird ihr doch wohl nicht die speckige Jacke anbieten oder zu einem banalen Männer-Lamento über „die soziale Kälte“ ansetzen - „wie man jetzt für die Linkspolitik wirbt, das lenkt mich schon noch ab“ versetzt sie und beißt ins Tomatenbrötchen, mampft. Der Dicke brummt zustimmend – nette Frau, trotz der schlechten Zähne. Er erbittet die Illustrierte, blättert kurz – bunte Bilder, Chancen, Opposition, Sport, Energie, Eva-Prinzip, gefälliges Layout – und begutachtet die Rückseite. DIE LINKE, Rote Ecke, Post an Clara Ein adhesiver Bestellcoupon mit blaufarbigem Eisblumen-Jahreszeitmotiv oben, signalrotem clara-Namenszug unten. Er klappt ihn um, einverständlich: „Wenns gratis ist... Oh!“ Runzelt die Brauen, guckt irritiert. Unter dem Bestellcoupon verbirgt sich ein Foto in Braungoldtönen, nicht groß, aber fünf mal so breit wie hoch. „Sehn Sie mal! Entschuldigen Sie, aber... ist das eine Verschlüsselung?“ Die Dünne, mit vollem Mund: „Wieso? Zeigen Sie mal.“ „Da!“ Erst verärgert über das ewige Misstrauen der Bevölkerung, verschluckt sie sich, als sie sieht, was er meint. Es prangt hier, neckisch-doppeldeutig dem ersten Blick verborgen, ein Softporno-Foto in professionellem Stil. Ein durch Ausriss angeschnittener Halbakt, Profil, Rückenlage. Eine Barbie-Schönheit, den kleinen Finger der exaltiert gespreizten rechten Hand am orgiastisch, aber weich und dekorativ geöffneten Mund, die Augen geschlossen, dichtes goldblondes, über ein Lager oder Bett aus Pelz? Steinen? Heu? fallendes Haar, sorgfältig gezupfte und geschminkte Brauen. Ob die rechte Brustwarze wegretuschiert, oder scheinbar vom Schatten des rechten Arms verdeckt ist, fragt sich die Dünne erst, nachdem sie ungläubig gelesen hat: „Mit Clara wird’s schön warm sagt auch die Bild am 13. November 2007. Ach du Scheiße!“ Der Dicke: „Und es wird noch besser!“ Denn dort, wo die Betrachterin, das anatomisch nachmodelliert Angerissene – die linke Brust, die unretuschierte? fehlt, die rechte wie beschrieben im uneindeutigen Profil – ergänzend fortsetzen könnte, just wo Vulva oder Oberschenkel der Abgebildeten, vielleicht auch pornografisch verwertbare Partien einer weiteren Person sich befinden könnten, steht, signalrot stolz „Ja:“ mit großem Doppelpunkt, anstelle vom – oder symbolisch als hot spot. Was jedoch zum darunterstehenden Bestellcoupon gehört und nur in diesem optischen Kontext – zwei cm unter dem Überraschungspornobild die Biederkeit doppeldeutig auflädt. Kleiner, Type und points wie beim zufriedenen Hinweis „sagt auch die BILD...“ ist die Fortsetzung „Ja: Ich will mehr Informationen über die parlamentarischen....- neue Zeile, wieder vom Doppelpunkt aus - ,Initiativen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.’ Kopfschüttelnd blickt sie den gespannt wartenden Dicken an, dabei hilft ein lauter Hustenanfall, Zeit zu gewinnen. Der Dicke steht tatsächlich auf, läuft behende um den Tisch herum, klopft ihr hilfsbereit den Rücken, bis sie tief durchatmen kann. „Danke!“ „Macht nichts, gern geschehen.“ Er setzt sich, sie holt zwei neue Kaffee.
„Aber ist ein Sexbild aus der Bildzeitung als Reklame für die Linke nicht voll daneben? Hätt ich nicht von denen gedacht. Obwohl es doch heißt: Honni soit qui mal y pense.“
„Dem Reinen ist alles rein.“
„Eben“. Der Dicke ist gebildeter, als er aussieht.
„Jetzt, wo mir die Sentenz einfällt, steh ich voll drüber, aber vor 5 Minuten dachte ich noch, die Linke benutzt billige Tricks, Bauernfängerei, und gibt das noch nicht mal offen zu. Sehn Sie, zum Beispiel diese Karte zum Verdecken. Wie ein Feigenblatt, nur aus Eisblumen. Nur dass man in der Malerei die Feigenblätter schon auf die nackten Körper aufmalt und nicht die ganzen Personen und ihren Text zudeckt. Hier beim Magazin der Linksfraktion klappen Sie’s zurück – wenn Sie beispielsweise irgendwelche Tugendbolde oder -boldinnen ärgern wollen – dann sehn sie zwar die Nackte, aber die wirklich interessanten Stellen noch immer nicht. Die fehlen.“
Die Dünne will zuerst nur das Gesicht wahren, aber als sie merkt, dass der Dicke jetzt Foto und Bedeutung nun auf einer anderen Ebene* mit ihr diskutiert, fängt das Gespräch an, sie zu amüsieren, und sie steigt drauf ein:
„Die Genossen in Berlin haben so gleich zwei Bedürfnisse aufgegriffen und sie originell miteinander verbunden. Wer Interesse an der ‚clara’, also an einem Abo hat, wird angenehm überrumpelt, anders als der, den es im Wortsinne kalt lässt, denn der klappt den Coupon nicht auf. Eine Art äätsch!-Effekt, für den ersteren, gegen den anderen. Das befriedigt doch auch. Er sieht was, was der andere nicht sieht. Liest, was der andere nicht liest, und hats dann sofort schön warm. Schon weil er weiß, dass der andere im Kalten sitzen bleibt. Eisblumen. Denken Sie mal an die Strompreise. Das Porno-Model ist nur ein Vorwand, ein Medium, alles ganz sauber, nix Genitales. Neugierigen wird eine Belohnung versprochen, und wer zustimmt, fühlt sich schon belohnt. Ein bisschen entspricht es der Mitgliederwerbung, denn das hebt die Vereinzelung auf, die ja auch Grund ist für die soziale Kälte. Wärme kommt ja aus der Nähe, der Kontaktaufnahme. Nicht der mit dem Model, sondern der symbolischen untereinander. Alle haben für eine Sekunde das gleiche empfunden.“
Die Dünne spürt einen Moment lang, dass ein Posten in einer Marketing-Abteilung auch seinen Reiz hätte, und dem kleinen Dicken fallen ihre geröteten Wangen auf. Munter, mit parodierter Gelehrigkeit sagt er:
„Potentielle Clara-Leser und Abonnenten fühlen sich nicht mehr arm, verlassen oder ausgegrenzt. Nicht mal durch die allmächtige Bildzeitung. Im Gegenteil, sie können nun diejenigen ausgrenzen, denen die Abbildung nicht gefällt. Ohne großen geistigen Anspruch, was Leuten mit geringem Selbstvertrauen ja wichtig ist, weil sie sonst schnell wieder von der Fahne gehen können, aus Frust. Das beste Gegenmittel ist, sie andere frustriert nennen zu lassen. Oder intolerant.“
Die dünne Frau nickt, ihr fällt ein:
„Zuviel Raum kann aber genauso schädlich sein wie zuwenig. Aus der Vogelperspektive erscheint alles klein, aber oben ist es kalt. Die da oben sind in der dünnen Luft völlig auf sich gestellt und einsam, wie die ganz unten auch. Vor allem wir Frauen – warum denn nicht?“ Denn der Dicke zieht bei dieser Floskel eine zweifelnde Grimasse, weil eine Wendung der Diskussion ins weniger Spaßhafte bevorzustehen scheint..
„Wir Frauen spenden zwar viel menschliche Wärme – sonst haben wir ja nicht so viel zum Spenden, sehen Sie sich die Einkommensstatistik mal an - aber wir benötigen auch welche. Denken Sie mal an die Alleinerziehenden, die unter dem Existenzminimum leben. Oder die Mütter kinderreicher Familien, völlig überlastet, vor allem, wenn der Ehemann arbeitslos ist. Eine Parole wie: Ist jedes sechste Kind auch arm - mit der Clara wird’s schön warm! wäre zur Weihnachtszeit und darüber hinausweisend das Passende.“
Er, erleichtert:
„Mir wird ganz warm ums Herz, allein von der Aussicht auf Wärme, auch wenn’s sich als Bluff herausstellen sollte. Dem Fotomädchen ist sicher nicht kalt, sonst wäre sie nicht nackt. Sie strahlt so viel Wärme ab, dass wir etwas davon haben können. Und weil es uns dann sicher schön warm wird, wird ihr wiederum nie kalt – die reine Magie!“
„Ein Perpetuum mobile! Allein die Aussicht darauf, wärmen zu können, könnte bei dieser Clara schon zum Temperaturanstieg geführt haben, der effizient zum Einsatz kommt, um den Betrachter seelisch aufzubauen. Hier geht’s um die ideelle Wirkung.“ Nun stutzt die Dünne. „Ich weiß nicht so recht: Ob das wirkliche Model daraus Befriedigung zieht? Andere als die der Pflichterfüllung, sexuelle vielleicht?“
Der Dicke redet nun so, als ob er sich in der Frage auskennt:
„Sehen Sie, da gibt es eine überraschende Parallele zu jemand, der erst arbeitslos ist, also irgendwie unnütz, und sich dann eine Arbeit sucht, die ihre Belohnung bereits in sich trägt. Die Aussicht auf den Vorteil anderer macht jeden Lohn überflüssig, denn ‚eine Arbeit – oder Aufgabe - zu haben’, macht ein nützliches Glied der Gesellschaft aus einem. Es braucht nur ein Minimum an Phantasie.“
„Apropos... hier tuts auch eine sachte Andeutung, nicht wahr? Der eigene Finger am weich und aufnahmebereit geöffneten Mund.“
„Eben, das wertvolle Membrum virile muss ein Fetisch bleiben, unsichtbar und zugleich allgegenwärtig.“
„Deswegen landet der Finger nicht direkt im Mund, das wäre Usurpation“, ergänzt die Dünne verständnisinnig.
„Richtig. Genau so, wie es gute Gründe dafür gibt, den Kapitalisten Arbeitgeber zu nennen. Als ob es ohne ihn keine Arbeit gäbe.“
„Soso. Soll der Betrachter unsere Wärmespenderin als Arbeiterin auffassen und sich als...
als Kapitalisten? Als Klassenfeind, etwas traditioneller gesagt? Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?“ Als der Dicke, seine Sympathiewerte im Blick, vorschlägt, zunächst für beide eine Runde Kuchen auszugeben und bereits zur Theke strebt, ruft sie ihm durch die Cafeteria ein „Clara ist nicht für die Privilegierten!“ hinterher. Gereizt sucht sie im Heft die Nummer der Redaktion, findet sie auf Seite 2, fummelt ihr Handy hervor, und ruft diese, Erkundigungen einholend an. Marion Heinrich und Steffen Twardowski werden weiter blicken als sie, eine kleine arbeitslose Anhängerin der Linken.
Als er mit zwei Stückchen leckerem Obstkuchen zurückkommt, weiß sie mehr. Bedankt sich „Sehr freundlich!“ und er sieht ihrem Blick auf das ihr zugedachte Teilchen den Erkenntnisprozess an: „Beim Betrachter wird an die Ernährerrolle appelliert. Deshalb der ekstatisch geöffnete Mund.“
„Ach ja, die kommt sonst ganz aus der Mode, die gute alte Ernährerrolle.“ Er will ihr den Spaß nicht verderben, obwohl ihn die Auskunft nicht überzeugt. „Aber ist im Solidaritätslied – das Sie sicher kennen – nicht ‚die Erde... die große Nährerin’?“
„Die muss man vom Globus gut unterscheiden, und um den geht’s heutzutage, Globalisierung bedeutet doch auch...“
„Klimawandel?“ „Ja, das konnte die Namenspatronin dieses Blatts, die richtige Clara, also Clara Zetkin, natürlich nicht wissen.“
„Dass es über 70 Jahre nach ihrem Tod endgültig zu warm würde?“ „Ja, das ist doch nicht mehr schön! Übrigens, die nächste Ausgabe wird ganz den Männern gewidmet sein, weil in dieser ‚clara’ dermaßen viele Frauen vorkommen, sagte mir die Redakteurin.“ „Mit dem verdeckten Fotos eines halben nackten Mannes? Ich bin gespannt!“ Sie tauschen ihre Telefonnummern, denn man schließt bereits, und bevor sich noch mal treffen, um sich über die neue letzte Seite mit einem Foto „Karl & Karlchen, die beiden Liebes-Knechte“ zu beugen, werden sie einander nicht nur phantasierte, sondern wirkliche Reibungswärme spenden. Ohne Abo.

Sigrid Asamoah

* angelehnt an Brechts didaktische Einfälle in den „Flüchtlingsgespräche(n)“, wie Frigga Haug sie in „Lernverhältnisse“(2003) analysiert hat.

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